WAHLTAG! Heute ist Wahltag… hm… wenn ich die Wahl hätte, würde ich mir einfach ein anderes Leben zur Wahldisposition wünschen, steht aber nicht auf dem Wahlzettel…
Also machte ich mich gegen 17 Uhr zu Fuß (was äußerst selten vorkommt) auf den Weg ins dörfliche Wahllokal – mit dem festen Vorsatz „Merkel“ ABzuwählen. Meine Entscheidung der Hauptstimme steht seit einigen Wochen fest: Gysi´s Partei bekommt mein Votum. Seit ich ihn 1990 in Aachen live gehört habe, halte ich ihn nicht nur für einen genialen, sondern auch überzeugten und überzeugenden Rhetoriker.
Die Präferenzen der Zweitstimme pendelten stetig zwischen SPD und Piraten hin und heraus kam nach folgender, heute erlebter Entscheidungsfindung folgendes:
So taperte ich los: schluffig bekleidet mit orangem Pullover (was gar nicht meine „Art“ ist, da ich eigentlich nur Schwarz trage) und die einzigen Schuhe, die zu dem Orange passten, waren abgelaufene Stolperschuhe in orange, in die ich ebenfalls schlüpfte. Mit diesem farblich untermalten Vorsatz stolperte ich also zur Wahl. Beim Einbiegen auf die „Hauptstrasse“ meines Ortes, stolperte ich auch just wegen der abgelaufenen Absätze – und fiel hin. Nun bin ich Fallen von jeher in allen Variationen gewöhnt, zudem äußerst gut gepolstert, um Stöße abzufangen und relativ gelenkig.
Prompt hielt ein Fahrradfahrer, „Typus: Öko mit Piercing“, der garantiert gerade vom Wahllokal kam, um die Piraten zu wählen, und er fragte, ob er helfen könne. Ich entgegnete: „Kein Problem, das liegt nur an den abgewetzten Absätzen der orangen Schuhe – aber die sollen ja meine politische Gesinnung ausdrücken“. Beruhigt zog er von dannen und ich zum Wahllokal mit dem gefestigten Entschluss, den Piraten meine Zweitstimme klar zu machen, was ich dann auch realisierte.
In der Wahlkabine, die keine Kabine war, sondern nur ein Verdeck, stand, dass man den Wahlzettel dergestalt falten solle, dass er nicht in die Entscheidung einsehen lässt. Kurz überlegte ich, ob ich die eine (von zweien) Wahlkabinen blockieren sollte und meine Origami-Techniken an dem Wahlzettel probieren sollte oder ob ich kurzerhand einen Papierflieger faltete… Angesichts der biederen Gesichter, die die Aufsicht führten, unterließ ich jedoch das Fliegenlassenwollen meiner Entscheidung und faltete fast nach Vorschrift.
Auf dem weiteren Weg hin sowie zurück grüßte mich jedermann freundlich – sollte meine Wahl begrüßt werden?
Ein 11-jähriger Junge, der mir öfters im Ort begegnet ist, verwickelte mich in ein ausfragendes Spiel mit den bohrenden Fragen, ob ich die Mülltonne rausstelle, ob ich einen Partner habe und dergleichen. Ich erklärte ihm, dass Fragen generell gut sind, sie zu stellen sei wichtig und fördere den Lernprozess bei Fragenden sowie Befragten. Weiters antwortete ich ihm wahrheitsgemäß, dass die Mülltonnen von den Nachbarn rausgestellt werden, aber dass ich das ebenfalls mal erledigen könnte sowie, dass mein Herz seit vorgestern nicht mehr okkupiert ist, d.h. keinen Partner.
Jetzt daheim angekommen, vernehme ich auf dem ZDF als ersten Sprecher Gregor Gysi, der Dank ausspricht und an die Gründung 1990 erinnerte. „Gern geschehen, Herr Gysi – stehe zu Diensten.“, antwortete ich mittels mentaler Kraft…