Die Neuerscheinung des Romans von Wolfgang Gogoglin „ Dunkles Licht in heller Nacht“
blendet bereits auf der ersten Seite jedweden Rhetoriker, der sich der aristotelischen „ars bene dicendi“ – der Kunst des Redens – verschrieben hat und leuchtet mit dunklem Licht in heller Nacht den Weg, den der Autor zuvor gegangen sein muss bei der sprachlichen Ausarbeitung seines Romans.
Laut klassischer, aristotelischer Rhetorik teilt sich eine „Rede“ (die in diesem Fall verschriftet als Buch zu sehen ist) in die Inventio, Elocutio und Dispositio. Inventio bedeutet hier die Suche bzw. das Finden oder Erfinden des Redestoffes bzw. der loci – der Fundorte, die Elocutio ist die sprachliche Ausarbeitung der in dern Inventio gefundenen loci mit allen sprachlichen Figuren, wie den sogenannten Tropen und die Dispositio ist die Anordnung des gefundenen und ausgearbeiteten „Stoffes“.
Aristoteles kategorisierte damit bereits vor > 2000 Jahren sprachliche Metafunktionen und erschuf damit ein bis heute grundsätzlich gültiges System, das durch Theorien und der Terminologie von Saussure, Bloomfeld und der Sapir-Whorf-Hypothese vertraut bis in die NLP (Neurolingustische Programmierung) Einzug hält.
So meistert Herr Gogolin in seinem Werk „Dunkles Licht in heller Nacht“ die aristotelischen Richtlinien der Rhetorik mit Bravur und verwandelt sie kunstvoll in eine „ars
bene scripendi“ bzw. Kunst des guten Schreibens.
Bereits im Titel steht die antithetische Struktur inklusive einer Metonymie den Leser exlamativ vor einen Widerspruch, der ihn zaudern lässt und neugierig werden lässt. Erreicht wird dieser Widerspruch durch das diversivoke Verhältnis in engerer Diversität der Antonyme „dunkles Licht“ und „heller Nacht“.
Fragen kann man sich nun, ob das Ziel der perspicuitas, des Überzeugens, hier durch Ornatus (sprachliche Ausschmückung) erreicht werden sollte – wie auch immer: der Krimi von Wolfgang Gogolin ist nominiert für den „besten Krimi des Jahres 2013“.
Ein der Rhetorik Geschulter wird in dem Roman zuhauf die „Gebote“ bzw. das Regelwerk, das Aristoteles aufstellte, erkennen und sich an der im Roman verwendeten Sprache erlaben.
Bereits auf der ersten Seite verwendet er eine verfremdende Antonomasie mit dem Begriff „Band der Nacht“, wahrscheinlich war hier eine poetische Intention die Motivation.
Formal fällt mir zu Beginn des Romans die assoziierte Relation zu dem Gedicht „Der Panther“ von Rainer Maria Rilke auf, das wie folgt beginnt:
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
versus:
Es sah so aus, als hätten nachts Feen auf dem Gras getanzt und tausend Wasserperlen auf dem Grün hinterlassen. Der kleine Park, in dem die ersten Frühlingsblüten aufbrachen, schien sich zu recken bei dem Versuch wach zu werden. Süßlicher Duft, der betörend aus den Backstuben im Viertel strömte, erfüllte die kühle Nachtluft.
Metrum und Rhythmik erinnern anfänglich an „den Panther“ von Rainer Maria Rilke.
Weitere rhetorische Mittel sind die Allegorie des „süßlichen Dufts, der betörend“ als Reihe von personifizierten Abstrakten steht. Auch die Personifizierung „der kleine Park“, der sich „reckt und versucht, wach zu werden“ stellt ein stilistisches Medium der Elocutio der klassichen Rhetorik dar.
So ziehen sich die rhetorischen Feingriffe Herrn Gogolins mit sicherer Hand durch das ganze Werk und steigern die Lesefreude um ein Vielfaches.